SIEGFRIED CHAROUX
(1896-1967)
Siegfried Charoux, der zu den wichtigsten österreichischen Bildhauern der Zwischenkriegszeit zählt und später
in Großbritannien große Erfolge feierte, ist in Österreich immer noch viel zu wenig bekannt. 1896 in Wien
geboren, studierte er von 1922 bis 1924 an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Hans Bitterlich und
war nebenbei als Karikaturist unter anderem für die Arbeiter-Zeitung tätig. Nach eigenen Angaben war Charoux
für kurze Zeit Schüler in der Kunstgewerbeschule bei Anton Hanak, in den Matrikelbüchern befinden sich
jedoch keine diesbezüglichen Eintragungen. 1935 emigrierte er mit seiner Ehefrau Margarethe aus politischen
Gründen nach London, wo er hohe künstlerische Wertschätzung erfuhr und 1956 zum Vollmitglied der Royal
Academy of Arts ernannt wurde. Werke von Charoux befinden sich in wichtigen internationalen Sammlungen,
unter anderem in der Londoner Tate Gallery. Als sein bekanntestes Werk in Österreich gilt das Lessing-
Denkmal am Wiener Judenplatz, das er nach der Abtragung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1939 in der
Zweiten Republik in einer neuen Fassung wiederholte. Darüber hinaus wurde er nach 1945 von der Stadt Wien
mit Denkmälern für Hugo Breitner, Bertha von Suttner und Richard Strauss sowie mit freiplastischen Arbeiten
für Gemeindebauten beauftragt.
Bis auf wenige abstrakte Experimente fühlte sich Charoux der figürlichen Darstellung des Menschen
verpflichtet („Ich will nicht modern sein, weil ich nicht unmodern werden will”). Sein Werk wurzelt im
Expressionismus und kann in zwei Hauptströmungen gegliedert werden: Parallel zu ausdrucksstarken
Plastiken in einer unverwechselbaren Formensprache („Der Prediger“, „Kämpfende Männer“ „Der
Überlebende“) entstanden Arbeiten in einer ruhigen, harmonischen Auffassung, die durch Auguste Rodin,
Aristide Maillol, Wilhelm Lehmbruck und Georg Kolbe beeinflusst sind. Die dazu zählenden weiblichen Akte,
Mutter-Kind-Darstellungen und Werke zum Thema Jugend strahlen starke Verinnerlichung aus. In zahlreichen
Plastiken spiegelt sich Charoux‘ Liebe zur Musik wider („Der Cellist“, „Der Violinspieler“, „Der Klavierspieler“,
„Trio“, „Quartett“). Im großangelegten Zyklus „Zivilisation“ setzte sich Charoux – in mitunter sarkastischer
Weise – mit der Gesellschaft auseinander („Der Richter“, „Der Würdenträger“, „Der Motorradfahrer“, „Der
Zeitungsleser“).
In seinen letzten bildhauerischen Arbeiten näherte er sich der existenzialistischen Plastik („Stehender Mann“).
Charoux hinterließ auch ein umfangreiches malerisches und zeichnerisches Werk. Bevorzugte Themen waren
Porträts, Stillleben, Landschaften (Cornwall, Gastein), die Musik sowie Studien zu Plastiken.
Aktualisierung: Oktober 2023